(NZZaS – Meinungen)
Die Ostertage sind die höchste Festzeit für Christen. Die Auferstehung ist die Quelle jeglicher Hoffnung – gerade in Zeiten bedrückender Nachrichten, schreibt Peter Ruch.
Ostern ist der entscheidende christliche Feiertag. Gäbe es kein Weihnachtsfest, so könnte ich trotzdem Christusgläubiger sein.
Ohne die Auferstehung könnte ich es nicht sein. Christus wäre in diesem Fall ein Denker wie etwa Sokrates oder ein guter Mensch wie Mutter Teresa. Er würde uns sogar einiges über Gott eröffnen. Aber niemals würde er Gott gegenwärtig machen. Die Verbindung zwischen Gott und Welt wäre so unsicher, wie sie für Ungläubige und Naturreligiöse ist.
Spekulationen über das Leben nach dem Tod kennen freilich alle Religionen. Sie beginnen mit dem Gefühl, dass ein verstorbener Mensch nicht einfach verschwunden ist. Das hängt damit zusammen, dass wir Menschen miteinander reden können und nicht auf Sinneseindrücke beschränkt sind. Die Sprache offenbart und verbindet uns miteinander. In den Erzählungen lebt Fernes auf. Und Vergangenes. Ein Mensch, mit dem wir – womöglich Persönliches – gesprochen haben, bleibt auch als Abwesender gegenwärtig. Und als Verstorbener. Deshalb trifft uns jede Todesnachricht sehr tief. Hinzu kommen die schmerzlichen Gefühle des Verlustes und der Trauer.
Daraus ergeben sich Fragen und Spekulationen über den Verbleib eines verstorbenen Menschen. Naheliegend ist der Gedanke, ein Teil von ihm habe den Leib verlassen und befinde sich anderswo. Die Unsterblichkeit der Seele schien schon in der frühen Christenheit für viele etwas Ähnliches zu sein wie die Auferstehung. Der Leib und die unsterbliche Seele sollen dereinst wieder zusammenfinden.
Aber damit wird der Tod letztlich nicht ganz ernst genommen. In der Bibel ist nirgends von einem separaten Überleben der Seele die Rede. Vielmehr legt Paulus Wert darauf, dass Leib und Seele zusammengehören. Folglich muss auch die Seele sterben. Und auch der Leib wird auferstehen. Beim Propheten Ezechiel gibt es eine abenteuerliche Vision über die Auferstehung eines ganzen Friedhofs. Da rücken Gebeine aneinander, auf ihnen wachsen Sehnen und Fleisch, und Haut zieht sich darüber. «Und der Geist kam in sie, und sie wurden lebendig und stellten sich auf ihre Füsse» (Ezechiel 37,10).
Zugegeben, da tauchen Schwierigkeiten auf: Wie sollen wir uns die leibliche Auferstehung vorstellen, wenn Milliarden von Leibern seit Generationen und seit Jahrtausenden entstellt unter der Erde liegen? Aber: Entsteht nicht auch ein neugeborener Mensch fast aus dem Nichts? Und die Pflanzen? Das Leben, von dem wir umgeben sind und an dem wir teilhaben, ist ein Wunder, nicht geringer als die Auferstehung. Im Korintherbrief schreibt Paulus: «Christus soll herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füsse gelegt hat. Als letzter Feind wird der Tod vernichtet» (1. Korinther 15,26). Von der Herrschaft Christi und der Herrschaft Gottes zu reden, ist eine Glaubensaussage. Sie reibt sich mit dem, was wir täglich aus den Medien erfahren. Da hat man oft nicht den Eindruck, dass Gott herrsche, sondern lauter kleine und grosse Teufel. Ist vielleicht die Herrschaft Gottes blosse Zukunftsmusik? Das Evangelium widerspricht dem, indem es sagt, Gottes Herrschaft sei zumindest angebrochen.
Gerade die manchmal so bedrückenden Nachrichten können uns der Herrschaft Gottes auf die Spur bringen. Es gibt nämlich nicht nur Unerfreuliches, wie es manchmal scheint. Die Mehrheit der Menschen lebt in Verhältnissen, wo die Macht geordnet und zum allgemeinen Wohle ausgeübt wird. Was nicht heisst: fehlerfrei. Und es ist auch nicht wahr, dass Macht grundsätzlich böse wäre. Gerade weil wir Menschen einander zugeordnet und aufeinander angewiesen sind, brauchen wir Ordnungen, Strukturen und Verantwortlichkeiten. Deshalb sagte Jesus auf die Frage, ob man dem römischen Kaiser Steuern zahlen müsse: «Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!»
Aber Macht ist immer geliehene Macht. Das vergessen manche Kaiser und Kaiserchen und lassen sich vergöttern. Deshalb liegt viel daran, dass die Macht beschränkt ist. Inhaltlich und zeitlich. Erstaunlich, dass dieses Prinzip in unzähligen Ländern, Provinzen, Sippen und Gemeinschaften funktioniert. Man müsste blind sein, um die Spuren des Reiches Gottes zu übersehen. Wo immer sich Hilfe zu wahrem Leben ereignet, da ist ein Schritt zu einer österlichen Lebenserfahrung getan. Wo Hindernisse aus dem Weg geräumt werden und im Leid getröstet wird, da geschieht zwar nichts Spektakuläres; doch kann es dadurch zu einer österlichen Lebenserfahrung kommen.
Wo die Ursache von Leid bekämpft wird und wo man sich dem Ruf nach Frieden und Freiheit öffnet, da gelingt es vielleicht, das Unrecht ins Abseits zu lenken. So keimt das Reich Gottes und trägt Früchte. Wo uns das Schicksal eines anderen Menschen zu Herzen geht, da besteht die Chance, dass die Auferstehung Gestalt annimmt. Und wo jemand Unrecht und Tyrannei aufdeckt, womöglich kabarettistisch, da drücken die Konturen des Auferstandenen durch. Und da werden wir befreit zu einem Lachen. Das Lachen vertreibt die Angst vor dem Tod wie das Licht die Finsternis.
Peter Ruch, 60, ist seit 2008 evangelischer Pfarrer in Küssnacht (SZ). Zuvor war er 17 Jahre Pfarrer in Schwerzenbach (ZH). Ruch studierte nach einer technischen Berufslehre Theologie in Basel und Montpellier (Frankreich). Er ist Mitglied des Stiftungsrates des Liberalen Instituts.