Der Querdenker

(Kirchenbote)

Pfarrer Peter Ruch erklärt den «Weltwoche»-Lesern regelmässig die Bibel. Auch sonst erregen Ruchs undogmatische Meinungen Aufsehen.

Peter Ruch: «Das Sozialsystem hat uns dazu erzogen, die Nächstenliebe zu delegieren. Dagegen müsste sich die Kirche erheben.» | Tilmann Zuber

Herr Ruch, sind Sie beleidigt, wenn man Sie als SVP-Pfarrer bezeichnet? Keineswegs, sagt Peter Ruch, genauso wenig wie es verwerflich sei, wenn ein Pfarrer oder eine Pfarrerin bei der SP ist. Ruch hält jedoch fest, dass er kein SVP-Mitglied ist, er sei Sympathisant.

Damit ist der 65-Jährige in der Kirche ein Sonderfall. Meist gehören die Geistlichen dem linken Lager an. Peter Ruch nicht. Mit seiner Meinung hält er nicht hinter dem Berg. In den Zeitungen kritisiert er den So-zialstaat. Dem «Blick» erklärte er, er würde Einwanderern keine staatliche Hilfe zukommen lassen, so wie es in den USA geschieht. Das verbessere die Integration. Beispielsweise seien in Grossbritannien dreimal so viele Immigranten aus Pakistan arbeitslos wie in den USA.

Von Otto Stich beeindruckt

Zurzeit erläutert der pensionierte Pfarrer der Leserschaft der «Weltwoche» die Bibel. Chefredaktor Roger Köppel fragte ihn an. Auch sonst kennt Ruch einige SVP-Aktive.

Peter Ruch war bis letzten August Pfarrer in Küssnacht SZ, zuvor in Schwerzenbach und Pfyn-Wynigen ZH. Der Basler, dessen Kinder in Zürich leben, fühlt sich nach mehreren Stellenwechseln, was bei Pfarrern stets Umzug bedeutet, etwas entwurzelt. Als Jugendlicher sei er «eher links angesiedelt gewesen», gibt Peter Ruch zu. In der Lehre als Radio- und Fernsehtechniker lernte er Otto Stich kennen. Der spätere Bundesrat unterrichtete an der Gewerbeschule. «Stich war ein guter Typ, ein unideologischer Pragmatiker», sagt Ruch.

Dann geschah etwas, das ihn «auf die liberale Schiene brachte». Er verstand nicht, wie die SP gegen die Wahl von Otto Stich zum Bundesrat protestieren konnte. Und Ruch stiess zufällig auf die Werke des Ökonomen Friedrich August von Hayek. Dessen liberales Credo lautet, so viel Staat wie nötig und so wenig wie möglich. Ruch hat sich dies zu eigen gemacht. Der Sozialismus und Kommunismus seien ja gescheitert, fügt er an.

Nächstenliebe nicht delegieren
Natürlich gebe es im Neuen Testament Stellen, die die Solidarität postulieren. Doch der Appell richte sich an den Einzelnen, er sei kein Entwurf für ein soziales System, das Gelder umverteile. «Das Sozialsystem hat uns dazu erzogen, Nächstenliebe zu delegieren und einem anonymen Dritten die Aufgabe des Retters in allen möglichen Nöten zuzutrauen. Dagegen müsste sich die Kirche eigentlich erheben.»

Seit Jahren kämpft Peter Ruch gegen eine moralisierende Gesellschaft, die die Freiheit stetig einschränkt. Essen, Energie, Verkehr und Lebensstil werde in Gut und Böse eingeteilt. Wer Absolution sucht, mache eine Diät und fahre Velo.

Der heutige Moralismus sei nicht besser als der mittelalterliche, sagt Peter Ruch. Die Kirche hätte die Aufgabe, vom Evangelium her Gegensteuer zu geben. Doch dazu fehle der Kirche die innere Freiheit. Der Schrumpfungsprozess schüchtere sie ein.

Verzagte Kirche

Die Kirche wäre dazu berufen, Alternativen aufzuzeigen und den Menschen Hoffnung zu machen. Im Taumel zwischen Weltangst und Selbsterlösung biete das Evangelium genau die richtige Therapie. «Das Kernproblem der Kirche ist nicht die Anfeindung von aussen, sondern die Verzagtheit und die Versuchung, den Menschen mehr zu gefallen als Gott.» Das versucht Peter Ruch zu vermeiden, er sagt seine Meinung, auch wenn diese dem Mainstream widerspricht. Alle wichtigen Themen solle man kontrovers diskutieren.

Tilman Zuber / Kirchenbote / 31. Mai 2017

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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