Und Saul sagte zu Achimelech: Warum habt ihr euch gegen mich verschworen, du und David, dass du ihm Brot und ein Schwert gegeben und Gott für ihn befragt hast, so dass er sich gegen mich erhebt und mir auflauert? (1. Samuel 22,13). Saul war wegen seiner militärischen Erfolge der erste König in Israel geworden. Seine Stellung gegenüber den herkömmlichen Autoritäten war unklar. Gott hatte ja den Israeliten das Königtum nur unwillig zugestanden. Auf die Loyalität der Priester und Richter konnte Saul bald nicht mehr zählen. Er entwickelte ein Misstrauen, das an Wahnsinn grenzte. Hinzu kam, dass der junge David sehr beliebt und mit seinem Sohn Jonatan befreundet war. Saul vermutete eine Verschwörung.
Eine Verschwörung ist ein geheimer Plan eines eng umgrenzten Personenkreises, um einen Amtsträger zu stürzen, zu töten oder ihm zu schaden. Machiavelli schrieb, gegen einen geachteten Fürsten eine Verschwörung anzuzetteln, sei schwierig. Dieser muss also bereits angeschlagen sein. Ist das der Fall, dann entwickelt er Ängste und projiziert sie in mögliche Gegenspieler. Er befürchtet Verschwörungen. Und er erscheint seiner Umgebung als Verschwörungstheoretiker. Die Beziehungen werden vergiftet.
Es gab echte Verschwörungen wie diejenige gegen Jesus. Und es gab ehrenwerte Verschwörungen wie diejenige gegen Hitler im Juli 1944, die im Erfolgsfall ein paar Tote verursacht, aber wohl unendlich viel mehr Tote verhindert hätte. Dietrich Bonhoeffer schloss sich ihr erst nach inneren Widerständen an. Schon 1932 hatte er die Ahnung ausgesprochen, dass wieder Märtyrerblut gefordert sein könnte, dieses jedoch nicht so unschuldig und leuchtend sein würde wie bei den frühen Zeugen Christi.
Eine Verschwörung darf nur im äußersten Extremfall in Betracht kommen. Wer mitmacht, wird schuldig. Schuldig wird auch, wer anderen eine Verschwörung unterstellt oder wer andere als Verschwörungstheoretiker herabsetzt. Nur der offene und sachbezogene Meinungsaustausch bringt Vertrauen und Klärung.
Eigentümlich frei, Mai 2021, Seite 61