Lauter Wunder

An Ostern feiert die Christenheit die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Sie bildet das Zentrum des Evangeliums. Der Auferstehungstag wurde sogar zum wöchentlichen Feiertag. Mit der Auferstehung überwand Gott die arglistige Kreuzigung und damit die Schuld der Menschen.
Paulus hatte seine liebe Mühe, die Gemeinde in Korinth davon zu überzeugen. Das fünfzehnte Kapitel im ersten Korintherbrief ist diesen Überzeugungskünsten gewidmet. Paulus redet dabei nicht allein von der Auferstehung Christi. Auch die zu ihm Gehörenden werden vom Tod auferstehen, ja sogar »der Tod selber wird als letzter Feind vernichtet«. (26) Der Auferstehungsglaube entspannt – und erlöst von den irdischen Paradiesprojekten.
Es gab in der Christenheit Strömungen, die Jesus verehrten, aber die Auferstehung ablehnten. Verbreitet ist bis heute auch die Vorstellung, die Seele sei unsterblich. Die Bibel beharrt jedoch darauf, dass der ganze Mensch stirbt – und aufersteht. Auch der Leib. Für alle Einwände hab ich Verständnis und bin selber nicht ohne Zweifel. Im technisch-rationalen Denken bleibt für Wunder wenig Platz.
Allerdings kann ich die Sache auch umdrehen. Anstatt dass es keine Wunder gebe, kann ich behaupten: Es gibt nur Wunder! Das Leben, die Sinne, die Natur, die Kultur, die Gefühle und Fertigkeiten – lauter Wunder. Sind die sechs chemischen Zutaten – Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor – vorhanden, so muss noch lange kein Leben entstehen. Geschweige denn Liebe. Je weiter die Forschung ins All blickt, desto deutlicher wird das Wunder unseres Planeten mit allen drum und dran. Neuerdings wird darüber spekuliert, dass es vielleicht mehrere Weltalls gebe.
Das Leben ist jeden Tag ein Wunder. Und jede Nacht. Warum sollte es das andere Wunder nicht geben: Dass wir jenseits aller unterkühlten Himmelskörper und millionengradigen Sonnen in ein neues Sein eingehen? »Und wie wir das Bild des Irdischen getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen.« (49)
Weltwoche 15/2017

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