Und der Teufel sagte zu Jesus: Dir werde ich die ganze Macht und Herrlichkeit geben. (Lukas 4,6) In diesen Tagen wird das Basler Münster 1000 Jahre alt. Da die meisten seiner Besucher nicht lesen konnten, sind viele Geschichten in Stein gemeisselt. Die Steinmetze waren zuweilen hervorragende Bibel- und Menschenkenner. Der frühere Münsterpfarrer Paul Bernhard Rothen hat dies in einem empfehlenswerten Büchlein dokumentiert (Das Basler Münster, Freimund Verlag). Links vom Hauptportal ist der Kaiser Heinrich II. als Stifter dieser Kirche mit seiner züchtigen Gattin Kunigunde dargestellt. Rechts vom Hauptportal stehen ebenfalls eine Frau und ein Mann. Die Frau trägt im Gegensatz zu Kunigunde ein Négligé und scheint den Mann neben ihr fasziniert anzulächeln. Er lächelt ebenfalls und deutet mit lässiger Geste an, dass manche Realitäten nicht zu ändern sind. Er wirkt sympathisch und ist an der Krone als Fürst zu erkennen. Er ist der Fürst dieser Welt, der Teufel, der die Menschen entzücken kann. Verführungen entpuppen sich oft erst hinterher als solche. Deshalb ist dieser Teufel vorne so freundlich – und besteht hinten aus Ungeziefer, Schlangenbrut und Monstern.
Täuschungen sind nachträglich leicht zu erkennen, und über die Schatten der Vergangenheit stänkern kann jeder. Um die Sünden der Gegenwart und ihre Verhängnisse für die Zukunft auszumachen, braucht es indessen die Bereitschaft, den Zeitgeist an Erfahrungen und Wahrheiten zu messen. Das erfordert Denken, Wissen und Glauben. Was uns heute als Problemlösung charmant anlächelt, kann morgen in höllische Verarmung, Hass und Krieg umschlagen. Lösen Suchtmittel, und löst die zauberhafte Geldflutung der Notenbanken ein Problem? Stärkt der bestrickende Lehrplan 21 die Bildung oder verdirbt er sie? Vermögen Panikbeschlüsse das Klima zu beeinflussen oder sind sie blosse Freiheitskiller? Später wird man es wissen. Schon jetzt wäre es dringend nötig und auch möglich, kritisch nachzudenken, um nicht sämtlichen Entzückungen auf den Leim zu gehen.
Weltwoche 42/2019