Sie waren überwältigt und sagten: Woher hat der diese Weisheit und diese Kräfte? Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Heisst seine Mutter nicht Maria…? (Mat 13,54f) – Die Berufsangabe über Josef lässt vermuten, dass auch Jesus Zimmermann war. Einige seiner Jünger waren Fischer. Der Apostel Paulus war Zeltmacher. Schon das Alte Testament berichtet von bedeutenden Gestalten, die aus Arbeiterberufen kamen, so David und der Prophet Amos. Fast jedermann übte ein Handwerk aus, und Handwerker konnten zu wesentlichen Stimmen des Geisteslebens werden. Das gilt durch alle Zeiten hindurch. Der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Karl Popper war Schreiner. Ludwig Wittgenstein war Gärtner. Handwerk schliesst höchste Klugheit nicht aus.
Auch das Umgekehrte ist wahr: Intellektuelle können dumm sein. Ein Beispiel dafür ist der meistverehrte Intellektuelle des 20. Jahrhundert, Jean-Paul Sartre. Keine Frage, dass er gute Bücher geschrieben hat. Aber er wollte überdies Welterklärer und Prophet, «Spinoza und Stendhal zugleich» sein. Er wurde zum Medienheld, liebte den Kommunismus, mischte im Rentenalter bei den Achtundsechzigern mit und besuchte den RAF-Terroristen Baader im Gefängnis. Als er die Existenz von sowjetischen Konzentrationslagern nicht mehr leugnen konnte, rechtfertigte er sie. Seine politisches Urteilsvermögen verharrte über Jahrzehnte nahe beim Nullpunkt. Gleichwohl war er der verhätschelte Liebling der französischen Elite. Als er 1951 sein Drama «Le Diable et le bon Dieu» lancierte, gestand ihm die staatliche Theaterschickeria alles zu: Beliebige Verschiebungen der Premiere, 19.400 Arbeitsstunden von insgesamt 104 Technikern, Umbauten an den Hebewerken, zwei Kilometer Textilien, eine Tonne Farbe, 90 Kostüme und viel Kostspieliges mehr. Der Kniefall vor dem Herrgöttli Sartre erinnerte ans Ancien Régime. Verhätschelte Staatsintellektuelle gibt’s bis heute. Die Bibel hält dagegen: Der Mensch urteilt nach den Augen, der HERR aber urteilt nach dem Herzen. (1. Sam 16,7)
Weltwoche 27/2019