Vom Handel

Und er sprach: Seht, ich habe gehört, dass es in Ägypten Getreide zu kaufen gibt. Zieht dort hinab und kauft für uns Getreide, damit wir am Leben bleiben und nicht sterben. (Genesis 42,2) – Jakob und seine Sippe litten unter Missernten, und es bestand Handlungsbedarf. Das ist der typische Impuls für eine wirtschaftliche Aktivität. Der liberale Ökonom Ludwig von Mises definierte die Unzufriedenheit mit dem gegebenen Zustand und die Aussicht, durch eigenes Verhalten Abhilfe zu schaffen, als allgemeine Bedingung des Handelns. Die Steinzeitmenschen mussten ihre Güter weitgehend selbst herstellen. Doch bereits in prähistorischer Zeit wurden Waren und Dienstleistungen getauscht. Der Handel hat freilich für viele Menschen etwas anrüchiges. Zwischenhändler würden sich bereichern, ohne zu arbeiten, so der Verdacht.
Mit diesem Thema befasste sich schon Martin Luther in seiner Schrift «Vom Handel». Seine Kritik an den Kaufleuten ist scharf. Viele seien habgierig und verlangten überhöhte Preise. Aber welches ist der richtige Preis? Für Luther lässt sich das mit keiner Vorschrift je ordnen. Dieselbe Ware aus derselben Stadt könne in diesem Jahre mehr kosten als im Vorjahr, weil der Weg, das Wetter oder sonst etwas höhere Unkosten verursacht. Am besten sei es, den Wert einer Ware danach zu bestimmen, wie der allgemeine Markt sie gibt und nimmt. Damals waren die Märkte kleinräumiger als heute, und Monopole konnten leicht entstehen. Dem Gewissen kommt daher entscheidende Bedeutung zu als Kompass gegen Betrug und Habsucht.
Obwohl die Israeliten vom Hungertod bedroht waren, gab ihnen Joseph das Getreide nicht umsonst. Der Staat, so Luther, kann nicht mit der christlichen Liebe regieren. Tut er dies, «würde ein jeder auf Kosten der andern gut leben wollen, aber niemand arbeiten. Ja, ein jeder würde dem anderen das Seine nehmen». Das tönt wie die Beschreibung der Verteilkämpfe im modernen Sozialstaat. Auch in ihm kann nur das von Gott inspirierte Gewissen Anstand und Fairness schaffen.

Weltwoche 48/2019

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