Die Apostelgeschichte berichtet, dass sich bei der Verkündigung des Evangeliums in Samaria unter den Zuhörern ein Mann namens Simon befand, der zuvor in der Stadt als Magier aufgetreten war und die Leute fasziniert hatte, sodass alle sagten, er sei die Kraft Gottes. Als sie nun dem Apostel Philippus Glauben schenkten, kam auch der Magier Simon zum Glauben. Dann legten sie ihnen die Hände auf, und sie empfingen den heiligen Geist. Als nun Simon sah, dass durch die Handauflegung der Apostel der Geist gegeben wurde, bot er ihnen Geld an und wollte die Vollmacht, dass jeder, dem er die Hände auflegte, den heiligen Geist empfinge. Petrus aber sprach zu ihm: Ins Verderben mit dir und deinem Geld! Du hast wohl gemeint, die Gabe Gottes mit Geld erwerben zu können. Wende dich ab von deiner Bosheit und bete zum Herrn; vielleicht wird dir dieses Ansinnen vergeben werden. (Apostelgeschichte 8,4-25)
Die Vorgeschichte dieses Ereignisses war die Steinigung des Stephanus. Dieser Konflikt löste eine Christenverfolgung aus, in deren Folge die Mitglieder der christlichen Gemeinde zerstreut wurden. Nicht jeder Mensch ist befähigt, unter erschwerten Bedingungen seiner Überzeugung treu zu bleiben. Mit dem Urteil über Menschen, die in einer Diktatur lebten, soll man deshalb vorsichtig sein. Angesichts der Unterdrückung sind Kompromisse manchmal unvermeidlich. Von weitem mag Anpassung als Feigheit erscheinen. Aber wenn man drin steckt, sieht es anders aus. Umgekehrt könnte allzu viel Wagemut sogar Wölfe aufwecken und mehr zerstören als aufbauen.
Entscheidend für die Kirche Jesu Christi ist dies: Niemand kann sie ersticken. Schwächen, ja vielleicht zerschlagen kann man die Institution mit dem Namen «Kirche». Gotteshäuser kann man schliessen oder zerstören, Christen einsperren. Aber die wahre Kirche Jesu Christi ist eine geistige Grösse. Gotteshäuser, Ämter und Strukturen sind ihre Hilfsmittel und Symbole. In der Not geht es ohne sie. Auch in der Apostelgeschichte lebte das, worauf es ankommt, trotz den widrigen Umständen weiter.
Diese Feststellung ist für die Kirche wegweisend. Sie steht heute weniger von aussen unter Druck als von innen. Ihre Mitgliederzahl schwindet, die Institution wird dünner. In Sachsen-Anhalt gehören noch 17 % der Bevölkerung überhaupt einer Kirche an. Aber mit der Institution schwindet nicht automatisch das Evangelium. Vielleicht ist es der Kirche beschieden, unter völlig neuen Bedingungen und gegen die Trends ihrer Sache treu zu bleiben und ihre Arbeit zu tun.
Trends gab es auch im 1. Jahrhundert. Einer davon war die Magie. Die geistige Stimmung war allgemein aufgekratzt. Eine einheitliche Religion gab es nicht, und die römischen Götter hatten ihren Glanz verloren. Unzählige Menschen waren auf der Suche nach einem religiösen Kick, und da gewann jeder, der das Irdische irgendwie zu überschreiten schien, seine Anhänger. Dazu brauchte es gewisse Fähigkeiten. Schon im Alten Orient bezog sich der Ausdruck „Weisheit“ auf Fertigkeiten im Kultus und in der Zauberei. Dieses Weisheitsverständnis kommt auch im Alten Testament vereinzelt vor. Der Zweck der Zauberei war, irgendwelche Geister und Dämonen zu beeinflussen oder die Zukunft vorauszusagen.
Aber wo Gott verehrt wird, da hat die Magie keinen Platz. Sie wird im alten Testament mehrfach abgelehnt, etwa mit den Worten: «Es soll in deiner Mitte keiner gefunden werden, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt, ein Wahrsager, Zeichendeuter, Schlangenbeschwörer oder Zauberer, kein Bannsprecher oder Geisterbeschwörer, keiner, der Wahrsagegeister befragt oder sich an die Toten wendet. Denn ein Greuel ist dem Herrn ein jeder, der solches tut.» (5. Mose 18,10-12a) Dieses Weisung wurde von den Alten Israeliten nicht immer eingehalten. Bei der Magie geht es darum, mit überirdischen Kräfte das, was man für gut hält, zu stärken. Die Angst spielt dabei eine wichtige Rolle. Menschen haben Angst vor bösen Mächten. Die Magier schüren die Angst, um nachher ihre Dienste besser verkaufen zu können. Gottes Werkzeug ist aber nicht die Angst. Seine Werkzeuge sind die Treue, der Trost und die Liebe. Auch wenn der Mensch manchmal das Gefühl hat, die Angst sei interessanter.
Deshalb war auch der Zauberer Simon so erfolgreich. Überraschenderweise überzeugte ihn die Predigt des Philippus und er wurde gläubig. Offensichtlich war auch dieser Magier gegenüber den letzten Fragen des Daseins unsicher und ratlos. Er war ein Suchender wie seine Klienten. Das macht ihn sympathisch.
Manches, was mehr Schein als Sein ist, verschwindet oder wird belanglos. Wir Menschen lassen uns leicht täuschen. Das, worauf wir vertrauen, übt dann eine tiefe Wirkung auf uns aus. Dagegen gibt es eigentlich nur ein Mittel: Die entscheidenden Dinge, die sich unserem Einfluss entziehen, Gott zu überlassen. Sie ihm anzuvertrauen. Sowohl unsere Zukunft, als auch die Kümmernisse, die in unserer Seele ihr Wesen treiben. Und vor allem das, was uns zweifeln und verzweifeln lässt: Das Unrecht, die Bosheit, den Tod, den Misserfolg. Auch Simon der Zauberer hat gemerkt, dass es hilfreicher ist, sich an Gott zu wenden, als sich irgendwelchen Beschwörungen hinzugeben.
Die biblische Erzählung erwähnt, Samarien, die aufstrebende Stadt im nördlichen Israel, habe das Wort Gottes angenommen. Die Christusgläubigen bildeten dort nur eine kleine Minderheit. Sagt die Apostelgeschichte, Samarien habe das Wort angenommen, so war das Evangelium dort einfach vertreten. So wie man von reformierten oder katholischen oder muslimischen Ländern spricht. Das sind kulturelle Etiketten. Flächendeckend christlich ist kein Land und keine Region. Christlich ist die Welt nur insofern, als Gott sie in Jesus Christus aufgesucht und berührt hat.
Was die Welt braucht, und was damals auch für Samarien zu erbitten war, ist der Heilige Geist. Er ist mehr als die Taufe und mehr als das Wort. Der Heilige Geist ist der Hauch Gottes, der uns geheimnisvoll in Bewegung setzt – wie der Wind ein Segelschiff. Haben wir unsere Segel ausgespannt, so warten wir auf den Geist Gottes. Wir versuchen zwischen ihm und anderen Geistern zu unterscheiden. Das ist manchmal schwierig.
Simon war gewohnt, geheimnisvolle Kräfte magisch zu beeinflussen. Deshalb hielt er den Heiligen Geist für käuflich. Auf sein Kaufangebot putzte Petrus ihn ziemlich grob herunter: «Dein Herz ist nicht aufrichtig vor Gott…. So bekehre dich nun von deiner Bosheit und bitte den Herrn, ob dir etwa der Anschlag deines Herzens vergeben werden möchte.»
Manchmal ist es besser, wir geraten aneinander als wenn uns die Wahrheit egal ist. Ist der Disput aufrichtig, so finden wir auch den Frieden wieder. So wie hier, wo Simon die Apostel bittet, für ihn zu beten. Dieses Stück Apostelgeschichte ist so herausfordernd wie das echte Leben: Eine Tötung, ein Seilziehen um die Gunst der Menschen, Streitigkeiten, ein grober Disput. Über allem steht die Zuversicht, dass der Geist Gottes der Gemeinde Erkenntnis, Trost und Versöhnung schenkt.
Zürcher Bote, Pfingsten 2013