So nehmt nun diese meine Worte auf in euer Herz und in eure Seele, und bindet sie als Zeichen auf eure Hand, und tragt sie als Merkzeichen auf eurer Stirne. (Deuteronomium 11,18) – Praktizierende Juden legen beim Gebet Riemen an mit Kapseln, welche die einschlägigen Bibelstellen enthalten. Die Kapseln liegen auf der Stirn und am linken Arm beim Herz. Natürlich wissen die Juden, dass in der biblischen Weisung der Kopf, das Gemüt und die Tat gemeint sind, aber die Gebetsriemen sind ihnen eine hilfreiche Veranschaulichung. Dass Kopf, Herz und Hand bei der Bildung beteiligt sein sollen, brachte Heinrich Pestalozzi vor über 200 Jahren auf den Punkt. Aber die Juden wussten es schon lange. Nicht zuletzt deswegen sind sie in der Wissenschaft und der Kultur so erfolgreich.
Die Technologen der modernen Pädagogik haben seit Jahren die Aspekte Kopf und Hand zurückgestuft. Sie erlagen dem Irrtum, das Lernen könne spielerisch geschehen, und die Handarbeit werde ohnehin überflüssig. Hinzu kamen ideologische Verblendungen über das menschliche Wesen. Die anstrengende Kopfarbeit soll der «Kreativität» weichen. Schon der Zürcher Lehrplan von 1991 zeigte einen massiven Stoffabbau. Auswendiglernen wurde verpönt und taucht im Lehrplan 21 gerade noch beim ABC und beim kleinen Einmaleins auf. «Auswendig» heisst jedoch in anderen Sprachen «par coeur» und «by heart». Es betrifft nicht nur das Hirn. Wer verstehen und empfinden will, muss auch wissen. Die schräge Pädagogik ist längst auf den Hochschulen und Lehrstühlen angekommen. Dort tummeln sich viele, die weder lernen noch forschen, sondern nur noch verändern wollen. Ist es blosser Zufall, dass im Bildungswesen der Antisemitismus grassiert? Der Fortgang dieser Entwicklung würde nicht nur den Juden, sondern unserer ganzen Kultur schlecht bekommen.
Weltwoche 12/2021