Wer einen Geldbeutel hat, nehme ihn mit, wer einen Sack hat, desgleichen. Und wer nichts hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe ein Schwert. … Sie sagten: Herr, hier sind zwei Schwerter! Er aber sagte zu ihnen: Das ist genug! (Lukas 22,36.38) – Für die Verkündigung des Evangelium benötigen die Jünger den Geldbeutel, eine Tasche und ein Schwert. Das Schwert könnte vermuten lassen, sie seien als militante Zeloten unterwegs. Deshalb folgt die Beschränkung: Genug. Jesus will weder Maximalbewaffnung noch Wehrlosigkeit. Weder Pazifismus noch Militarismus. Das Wort Krieg und seine Komposita kommen in der Bibel über 300 mal vor. Zuerst tötet Kain seinen Bruder Abel. Dass nicht der Krieg, sondern der Friede das Erstaunliche ist, haben viele Zeitgenossen vergessen.
Es gibt zwei Friedenskonzepte. Die lateinische Pax hängt mit dem Wort für «einschlagen, befestigen» zusammen und meint das Schweigen der Waffen. Das ist der Friede, den die Pazifisten meinen, und wie er etwa in Nordkorea herrscht. Der biblische Friede heisst hingegen Schalom und bedeutet «Ausgleich schaffen». Weil der Krieg das Primäre ist, ist jede Gesellschaft zunächst nichts anderes als eine Einrichtung, um den Krieg, der jederzeit entbrennen kann, zu beherrschen. Dazu braucht es Abschreckung in Form von angemessener Bewaffnung. Der Militarist will mehr, nämlich Waffenüberlegenheit, um den Feind zum Frieden zu zwingen. Der Pazifist seinerseits appelliert an den guten Willen und überlässt dem hochgerüsteten Gegenspieler das Feld. Beide nehmen den Frieden als stetigen Ausgleichsprozess nicht ernst und sind daher wesensverwandt. Frei nach Pascal: Die Militaristen lieben den Tod mehr als den Frieden; die Pazifisten lieben den Tod mehr als den Krieg. Die beiden passen verhängnisvoll zusammen. Jesus zeigt die Alternative.
Weltwoche 13/2022