So redete Jesus, und er erhob seine Augen zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen, verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche. (Johannes 17,1) – Verherrlicht werden heisst im Johannesevangelium auch von der Erde erhöht werden (12,32). Jesu Feinde werden ihm den Boden unter den Füssen wegziehen und ihn erhöhen – ans Kreuz. Jesus war Gottes Botschafter. Er bewegte sich allerdings nicht auf diplomatischen Parkettböden, sondern unter einfachen Menschen. Es gab also gute Gründe, diesen Gesandten Gottes in der Welt zu akkreditieren, wie das heisst. Darin steckt das Wort credere, glauben, vertrauen. Das Wichtigste zwischen Menschen und Völkern sowie im Verhältnis zu Gott sind nicht Verträge und Papiere, sondern das Vertrauen. Die heutige Welt vertraut Gott nicht und macht die Bahn frei für andere Mächte. Das geschieht üblicherweise mit List und Gewalt. Auf die Gewalt sind die Menschen nicht gefasst und erschrecken über sie. Sie erschraken auch über die Kreuzigung.
Allerdings: Wer vor Gott erschrickt, erschrickt heilsam. Jesus erhob seine Augen zum Himmel. Am Ende des Geschehens neigte er sein Haupt und gab den Geist auf. Der erhobene Kopf und der geneigte Kopf – das ist kein Widerspruch. Er sucht die Verbindung zum Vater, weil er weiss, dass nur Er mit der Gewalt und dem Tod fertig wird. Die Kreuzigung ist und bleibt grässlich. Und die Menschen – das Volk, Herodes, Pilatus bis hin zu Petrus verhielten sich ekelhaft. Dieser schmerzliche Riss hat indessen eine andere Seite. Gott reisst auch einen Schranz in das unselige Wesen der Welt. Einen Schranz der Liebe. Die Welt mag noch so gottlos sein, der Riss bleibt als Lücke für Gott geöffnet. Deshalb sind den Abscheulichkeiten Grenzen gesetzt. Die Liebe wird siegen über die tödlichen Hass- und Gewaltausbrüche.
Weltwoche 15/2022