Unterstützereien

«Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denar verkauft und den Ertrag Armen zugute kommen lassen?» Das sagte er aber nicht, weil ihm die Armen am Herzen lagen. (Johannes 12,5) – Der Protest des Jüngers bezieht sich auf das kostbare Öl, mit dem eine Frau Jesus die Füsse gesalbt hatte. Barmherzigkeit mit fremdem Geld übt jeder gerne. Deshalb fliessen so viele Steuergelder in Unterstützereien. Im Sommer bewohnte ich eine Ferienwohnung in Norddeutschland. Bei einer Plauderei mit dem Pöstler erfuhr ich, dass er jeweils um vier Uhr aufstehen muss. Sein Arbeitsweg sei weit, und dieses Wohnquartier hier sei für ihn zu teuer. In unserem Block wohnte eine rumänische Roma-Familie, die von der Sozialhilfe lebt. Die Wohnung gehört einem Professor. Er kassiert vom Sozialamt die Miete und wälzt die Mieterschäden dorthin ab. So geht Unterstützung. Und so geht Diskriminierung: Der krampfende Postbote wird gegenüber dem Untätigen herabgesetzt.
Im EU-Budget bildet die Unterstützung der Landwirte mit über 50 Milliarden Euro den grössten Posten. Frankreich produziert damit überschüssige Milch. Das Milchpulver landet zum Beispiel in Burkina Faso. Dort ist es um zwei Drittel billiger als die Milch aus den einheimischen Familienbetrieben, die meistens von den Frauen geführt werden. Das von Brüssel unterstützte Milchpulver verdrängt die einheimische Milch und vernichtet Arbeitsplätze. Arbeitslose junge Menschen werden anfällig auf Radikalisierungen oder suchen den Weg in die Emigration. Auch subventioniertes Hühnerfleisch aus der EU treibt viele Afrikaner in die Armut. Die Schweizer Kohäsionsmilliarde dümpelt da unterstützend mit. Die oben zitierte Frage wurde vom Verräter Judas gestellt. Kein Zufall. Staatliche Unterstützereien werden oft zum Verrat an der Nächstenliebe und an der Menschenwürde.
Weltwoche 43/2021

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