Die Quelle der guten Tat

Und dafür, dass ihr auf diese Rechte hört, sie haltet und danach handelt, wird der HERR, dein Gott, den Bund halten und die Gnade bewahren, wie er es deinen Vorfahren geschworen hat. (Deuteronomium 7,12) – In seinem Hauptwerk geht der Reformator Johannes Calvin auf die Auffassung seiner theologischen Gegner ein, ohne menschliche Werke komme keine göttliche Gnade zustande. Zunächst weist Calvin darauf hin, dass die Menschen die vollständige Wirkung ihrer vermeintlich guten Taten gar nicht überblicken. Der Psalm 19 redet von Verfehlungen, «die mir verborgen sind» (V. 13). Tatsächlich gibt es viele Beispiele dafür, dass sogenannt gute Werke längerfristig ungute Resultate zeitigen. Hinzu kommt, dass niemand das Gesetz Gottes zu erfüllen vermag. In jedem Menschen wohnt Böses. Deshalb entpuppen sich in Kriminalgeschichten und -filmen oftmals Sympathieträger als Übeltäter. Alle Menschen haben das Potential zum Verbrechen, sind ausserstande, sich durch gute Taten zu qualifizieren, und gleichermassen auf Gott angewiesen.
Das ändert nichts daran, dass Menschen nachhaltig gute Werke vollbringen. Selbstverständlich sind sie zur Nachahmung empfohlen. Aber sie sind nicht das Ei, aus dem nachher Gottes Liebe schlüpft. Es ist umgekehrt: Aus der Liebe und Nähe Gottes schlüpfen die guten Werke. Wer so denkt, kann vermeiden, dass aus seinem Lebenswerk Stolz und Hochmut wuchern. Die Überzeugung, dass ich meine Güte und meine Erfolge Gott verdanke, ist friedenstiftend. Man denke nur an die vielen Beispiele, wo Menschen ihre hehren Ziele verfehlen, dann Schuldige finden und ihren Hass auf sie ausgiessen. Wer daran denkt, dass er alles Gott zu verdanken hat, hält sich nicht für gerechter als andere. Für die heutige Zeit und ihre Medien, die ebenso leidenschaftlich Menschen idealisieren wie runtermachen, ist das die richtige Therapie. Wer die Gnade Gottes kennt, ist mit den Menschen gnädiger und wo nötig auch kritischer.
Weltwoche 3/2023

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