Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? (Markus 8,36, Lutherbibel) – Dass ein Mensch die ganze Welt gewinnt, ist übertrieben. Es passt zu jener Erzählung am Anfang der Bibel, als Adam und Eva so werden wollten wie Gott. Weil sich der Mensch instinktiv gerne nach allen Seiten ausbreitet, erwachen von Zeit zu Zeit seine Allmachtsphantasien. Schon mehrmals wurden sie verwirklicht. Ich denke an die Grossreiche der Antike, aber noch mehr an das 19. Jahrhundert, als der Imperialismus ausdrücklich Programm war. Weltpolitik gibt es eigentlich erst seit da, und «sie ist für die Politik, was der Grössenwahn für den einzelnen Menschen ist». (Eugen Richter) Die weise Beschränkung auf die nationale Politik galt zunehmend als Beschränktheit. Da aber der Nationalstaat auf eine homogene Bevölkerung setzte, konnte er keine Reiche gründen, sondern musste Kolonien unterwerfen. Besonders hervor stachen der belgische König Leopold II., der den Kongo, 80-mal so gross wie Belgien, kurzerhand zu seinem Privatbesitz erklärte, und Cecil Rhodes, dessen Domäne Rhodesien immerhin die heutigen Länder Sambia, Simbabwe und Malawi umfasste. Nationalismus und Imperialismus waren wichtige Triebfedern für die Weltkriege, und verständlicherweise waren sie nach 1945 verpöhnt. Nun lassen sich Bürokraten erneut von der imperialistischen Idee verführen, allen voran der UNO-Generalsekretär Antonio Guterres mit seiner Idee, die Länder gleichzuschalten und nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Vermutlich imspirierte ihn der WHO-Vorsitzende Tedros A. Ghebreyesus. Auch Ursula von der Leyen fühlt sich als EU-Imperatorin pudelwohl. Ob der Schaden an der Seele Voraussetzung oder Folge der Machtbesoffenheit ist, mag offen bleiben. Auf jeden Fall gehören die beiden zusammen.
Weltwoche 39/2024