Zu weiteren Schwertern greifen?

Alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen. (Matthäus 26,52) – Diesen Satz sagt Jesus zu einem, der ihn gegen den Angriff seiner Widersacher verteidigen will. An anderen Stellen hat er die bewaffnete Verteidigung erlaubt, etwa als er seine Jünger anwies, ein Schwert zu kaufen (Lukas 22,36). Hier geht es um Jesus selbst. Seine Verhaftung und Hinrichtung bedeuten Unrecht und Gottverlassenheit. Das ist fast nicht auszuhalten. Deshalb werden gegen ungerechtfertigte Angriffe meist wütende Gefühle und Kriegsgeister mobilisiert. Vor drei Jahren empfand ich die Gegenwehr der Ukraine und die westliche Hilfe als richtig. Inzwischen bin ich überzeugt, dass ein Kriegsende auch mit einem bitteren Kompromiss dringend ist. Russland ist eine Grossmacht mit imperialem Anspruch. Schon unter Präsident Jelzin wurden die zaristischen Andreas- und Alexandersäle im Kreml trotz Wirtschaftskrise für 335 Millionen Dollar als Zeichen der imperialen Renaissance prunkvoll restauriert. Putin machte dann Russland schleichend zu einer Einmanndemokratie, was der Westen lange verdrängte. Niemand muss für Putin Verständnis aufbringen. Aber die Realität ist hinzunehmen.
Für die Interventionen der USA in aller Welt hatte ich meistens Sympathien. Im Rückblick muss ich zugeben, dass diese Eingriffe weitgehend in Misserfolgen oder bitteren Kompromissen endeten: Korea, Vietnam, Irak, Iran, Libyen, Syrien. Der bitterste Kompromiss folgte auf den Zweiten Weltkrieg: Um den Massenmörder Hitler zu bodigen, musste man sich mit dem Massenmörder Stalin verbünden und ihm mehrere Opfer der Nazi-Aggression, allen voran Polen, ausliefern. Als bitterer Kompromiss wird auch der Angriff Russlands gegen die Ukraine enden. Je schneller desto besser. Er ist das kleinere Übel als weitere Tötungen und Zerstörungen.
Weltwoche 5/2025

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